Rückblick

Finissage
Freitag, 14. November 2025

Zwei Monate Ausstellung kamen am 14.11. zu einem guten Ende. Die Finissage feierten die Künstlerinnen mit etwa 50 Besucherinnen und Besuchern im Oberdeck über der Möbelgalerie Tuffner. Nachdem Bert Bochmann mit einer Klavierimprovisation einen markanten Startpunkt gesetzt hatte, begrüßte die Vorsitzende des Vereins „VERLUST&FINDEN – Kunstprojekte e.V.“, Prof. Dr. Beate Neuss, die Anwesenden und verwies in ihrer kurzen Ansprache auf das Motto des Kulturhauptstadtjahres See (C) the Unseen: Es passe hervorragend zur Aktion der sieben Künstlerinnen und zum Ort, an dem sie stattgefunden hat. In der Weitläufigkeit der Möbelgalerie sei der Weg zu den Kunstwerken ein Suchen und Finden, Verstehen und Staunen gewesen. Das Thema, Verlust und Finden, das in jedem Leben eine große Rolle spielt, und das in dieser Ausstellung auf so vielfältige Weise in Worten, Objekten und Performances seinen Ausdruck gefunden habe, sei für das Publikum erfahrbare Realität geworden. Vielfältig seien, so stellte Prof. Neuss fest, die Präsentation von Verlusterfahrung, über welche die Gesellschaft so gerne hinweggehe – the unseen – und ebenso vielfältig das Darstellen von Wegen des Findens: das Sehen von Auswegen, von Heilung, von Resilienz. Die Künstlerinnen hätten als Teil der Chemnitzer Bürgergesellschaft aktiv für das bürgerschaftliche Engagement gestanden, welches die Stadt auszeichne und doch im Bild über diese Stadt oft nicht wahrgenommen werde: See the Unseen.

Die Ausstellung ist ein Erfolg gewesen, weil Viele den Weg zu Tuffners gefunden und die Ausstellungsecken gesucht und auch gefunden haben. Eine beachtliche Gruppe ist auch zu Veranstaltungen zwischen der Vernissage und der Finissage mehrmals in der Ausstellung gewesen – zur Freude und Genugtuung der sieben Künstlerinnen, die unter großem Zeiteinsatz und beträchtlichen, größtenteils nicht abgedeckten finanzieller Aufwendungen ihre Kunstwerke geschaffen haben. 

Das ganze Projekt wäre aber ohne die Großzügigkeit von Dorothea und Jens Tuffner nicht realisierbar gewesen. Sie gewährten den Kunstwerken in ihrer Möbelgalerie eine zeitweise Heimat, mietfrei und im wunderbaren Ambiente geradezu künstlerisch gestalteter Möbel. Deshalb ist ihnen herzlich zu danken für ihre Gastfreundschaft und uneigennützige Unterstützung. 

Dorothea Tuffner antwortete auf die Frage, was sie bewegt habe, diese Ausstellung inmitten der Möbelgalerie auszurichten, es sei immer ihr Anliegen, Möbel nicht als tote Objekte zu präsentieren, sondern als Arrangements der Begegnung und der Kommunikation von Menschen. Und dieses Potential sei in der Ausstellung sichtbar geworden, wo sich Einrichtungen als Ereignisorte von Kunst erwiesen hätten.

In einem letzten Gang zu den einzelnen Ausstellungsorten im Haus ließen die Künstlerinnen und die Besucherschaft die vielfältigen Aspekte von Verlust und Finden nochmals Revue passieren und bemerkten, dass auch an diesem Abend Wahrnehmen, Verstehen und Austausch kein Ende nehmen wollten. Freude und Dankbarkeit bestimmten den weiteren Verlauf des Festes im Oberdeck, das mit dem Film „Wir sind die Veränderung“, mit welchem im Februar das Startsignal des Projektes gesetzt worden war, einen berührenden, und damit würdigen Abschluss fand.

Hildegard König

von Dohejm nach Zuhause – eine Landschaft gewinnt die Menschen zurück
Kunst – Interview- Lyrik – Musik
am Freitag, 7. November 2025

Am 7. November verwandelte sich das zweite Obergeschoss der Tuffner Möbelgalerie in einen Ort der Kunst, der Erinnerung und des Dialogs. Zahlreiche Besucher*innen folgten der Einladung zu diesem Begleitprogramm der Ausstellung Verlust&Finden – lost&find.

Kunst als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Die Gäste nutzten die Zeit den Ausstellungsteil „Von Dohejm nach Zuhause – eine Landschaft gewinnt die Menschen zurück“ zu entdecken und die besondere Verbindung zwischen Kunst, Geschichte und persönlichem Erleben zu spüren.

Katharina Leis war es ein Anliegen dem Kapitel deutsch-tschechischer Geschichte zu Flucht – Vertreibung – Neuanfang einen Raum für Gespräch und Begegnung zu eröffnen, ohne den Anspruch fertige Antworten zu haben. Vielmehr war es die Einladung zu fragen von welcher Bedeutung dieses verborgen-anwesende Thema heute für Menschen auf beiden Seiten ist? Was bewegt die Menschen heute? 

Worte und Musik als Verbindung über Grenzen hinweg

Ein Interview-Gespräch mit unserem Gast Tomáš Cidlina (Česká Lípa) ermöglichte Einblicke in die tschechische Perspektive. Tomáš Cidlina erforscht als Historiker seit vielen Jahren die Geschichte der Grenzregion. Darüber hinaus entstehen poetische Texte und Gedichte aus Gesprächen mit Zeitzeugen auf beiden Seiten der deutsch-tschechischen Grenze. Sie erzählen von Heimatverlust, Neubeginn und Schmerz, aber auch von der leisen Hoffnung, dass Versöhnung möglich ist.

Am Abend fand die Veranstaltung in einer Lesung mit Musik ihren Ausklang. Lyrische Texte von Tomáš Cidlina und frei improvisierte Klänge des Ensembles KuK öffneten Räume für Emotionen und Erinnerungen. Die Musiker*innen reagierten live und spontan auf die gelesenen Texte und ließen mit Improvisationen ein sensibles Zusammenspiel entstehen, bestehend aus Klang, Sprache und Atmosphäre.

Den Schlusspunkt bildete das Zitat von John Lennon: 

Frieden ist nichts, was du dir wünschst – es ist etwas, dass du machst – etwas, das du tust – etwas, das du bist – etwas, das du verschenkst.

Ein Abend, der nachhallt

Die Veranstaltung war mehr als ein kulturelles Ereignis – sie war eine Einladung, sich berühren zu lassen, Geschichte neu wahrzunehmen und Brücken zu schlagen: zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Tschechien und Deutschland, zwischen Menschen die sich dafür einsetzen wollen, dass Versöhnung und Frieden gelingen. 

VERLUST&FINDEN –
Vernissage und Performances
Samstag, 13. September 2025

Etwa 200 Personen fanden sich im Innenhof der Tuffner Möbelgalerie ein, um an der Eröffnung der Ausstellung VERLUST&FINDEN teilzunehmen. Dorothea Tuffner begrüßte als Gastgeberin die anwesenden Gäste und strich die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen in den vergangenen Monaten heraus. 

Prof. Dr. Beate Neuss, die Vorsitzende des Vereins VERLUST&FINDEN – Kunstprojekte e.V., welcher die Ausstellung ausrichtet, freute sich, dass mit der Vernissage ein über drei Jahre dauernder kreativer Prozess zu einem eindrücklichen Höhepunkt gelangt ist. Zugleich betonte sie, dass die Thematik derzeit gesellschaftlich brisant ist und dass die Künstlerinnen mit ihren Arbeiten einen deutlichen Akzent setzten innerhalb des Kulturhauptstadt-Mottos „C – the unseen“. 

Gitarrenmusik von Jan K. Weiß leitete über zur Laudatio von Matthias Zwarg, der die Einzelprojekte der Künstlerinnen vorstellte und ihre Bedeutung in einer Mentalität des Machens und Gewinnens, wie sie die Gegenwart beherrscht, hervorhob. Die gebotenen Texte, Objekte und Performances seien geeignet, einen kritischen Dialog mit gängigen Lebenserwartungen und Konventionen einzuleiten und Spuren zu Prozessen des Findens zu legen, die herausführen aus den Laufrädern des Zwangsläufigen.

Unter Gitarrenklängen startete der Gang zu den einzelnen Teilprojekten, die in den vier Etagen der Möbelgalerie präsentiert werden. 

Im Erdgeschoss stellt Christiane Kleinhempel das Objekt Sokogai aus, das die Frage nach dem Erhalt und Verlust von Wissen und nach dem Wieder-Finden eines Zugangs aufwirft. 

In einer anderen Nische rückt Doreen Grün das Thema Maternität in den Blick. Ihre keramischen Arbeiten und ihre ‚Reliquien‘ eines beginnenden Lebens (Schwangerschaftstest, Milchzähne, erster Haarschnitt) sprechen eindrücklich von der Fragilität des Lebensbeginns.

Das erste Obergeschoss verbindet Installationen mit Performances: Christiane und Martha Kleinhempel stellen Metamophose dar, ein Geschehen zwischen allen Stühlen, in dem nichts bleibt, wie es war: Alte Traumanetzwerke, Verletzungen können verwandelt werden und im Verlauf der Zeit neue Stühle entstehen lassen. Manchmal muss Altes und Schmerzhaftes bewusst hinter sich gebracht werden, um Neues zulassen zu können. Metamorphose: ein Prozess, der im Verlauf der Ausstellung durch den sukzessiven Austausch der Stühle erlebt werden kann. Dies wird vor Ort durch Texte und Notate dokumentiert.

Weiter geht es zum Teilprojekt Aufbrechen zum Finden, in welchem große Graphiken von Dagmar Zemke in Dialog treten zu den minimalistischen Gedichten von Hildegard König. Zemkes Graphiken Exodus und Engel schaffen einen Hallraum für die poetischen Rezitationen, die dem Publikum als Audio-Dateien und in Buchform zugänglich sind und dazu animieren, die eigenen Gedanken und Worte zu den Texten zu setzen.

In Sichtweite dazu die Installation von Doreen Grün Ein Zaun ist ein Zaun, eine Auseinandersetzung mit der Frage, was von einem Menschen bleibt, wenn er nicht mehr da ist: Gefühle des Verlusts und der Trauer fügen sich allmählich mit Erinnerungen zusammen und finden einen Weg der Schmerzbewältigung.

Eine weitere Performance im Zwischenraum bieten Cornelia und Margarete Zuk mit Musik, Bewegung, Poesie. Es entstehen Interaktionen zwischen Kuppel, Spuren, Prozessen. Der Zwischenraum lädt zum Spiel der eigenen Wahrnehmung ein inmitten von Wolle, Tränen der Trauer und der Freude. Sequenzen von Stimmen fördern Perspektivwechsel und Teilhabe, um das Kraftfeld zum tieferen Verstehen des Augenblicks zu entwickeln. 

Die Arbeiten im zweiten Obergeschoss schaffen eine Atmosphäre von Stille und meditativer Betrachtung. Die Arbeit Dohejm von Katharina Leis – präsentiert auf alten Zimmertüren und in einer Vitrine mit Erbstücken – erzählt die Verlustgeschichte ihrer Familie und wie daraus Impulse erwachsen, die alte Heimat der vertriebenen Vorfahren als eine Landschaft zu sehen, die Menschen zurückgewinnt, dargestellt mit alten und neuen Bildern, mit alten und neuen Texten. Viele Besucher und Besucherinnen zeigen sich sichtlich angerührt von dem, was sie erfahren… und was sie selbst erinnern.

Ähnlich ergreifend zeigt sich die Videoinstallation von Doreen Grün VerLUST in einer anderen Nische ein paar Meter weiter. Eröffnet mit vier Reliquien eines von Lebenslust getragenen und von einer Krebserkrankung durchkreuzten Lebens erzählt die Künstlerin die letzte Lebenswoche ihrer Freundin: Auch im Sterben finden sich Spuren von Lust und Schönheit: Kein besserer Ort um zu gehen, als im Bett unter einem Baum und mit vertrauten Menschen, die direkt daneben im Gras ihr Picknick einnehmen.

Die letzte Performance führte in das Untergeschoss der Möbelgalerie, vorbei an einer weiteren Installation von Doreen Grün mit dem Titel Kommunikation. Auch dies eine berührende Arbeit der Künstlerin, gestapelte Briefe aus weißer Keramik, teils verstreut und zerbrochen: Sie sind nicht zu lesen, ihr Inhalt bleibt verborgen. Aber ihre Existenz zeugt von einer jahrtausendealten Kulturtechnik, die Menschen Wege zueinander finden lässt.

Heda Bayer präsentiert unter dem Titel Zwiespalt drei textile Figuren, die wie verlassen in einer Nische, auf Treppenstufen und unter einem Tisch sitzen. Die Künstlerin verbindet damit Geschichten aus ihrem eigenen Leben, aus Begegnungen mit verwandten und fremden Personen, die jeweils aus prekären Verhältnissen heraus ihren Lebensweg und ihre Verortung fanden.

Als die Vernissage nach drei Stunden zu Ende war, trafen sich noch zahlreiche Besucher und Besucherinnen im Innenhof und in der Bar „Die wilde Dreizehn“, um ihre Beobachtungen und Eindrücke auszutauschen. Der Tenor in allen Gesprächen: Es war eine bemerkenswerte Veranstaltung und die Ausstellung verdient öffentliche Aufmerksamkeit. Es ist zu hoffen, dass ein großes Publikum den Weg dorthin findet. Bis zum 14. November ist sie während der Öffnungszeiten der Tuffner Möbelgalerie zugänglich. 

Herzlichen Dank an Dorothea und Jens Tuffner, an Matthias Zwarg, an Jan K. Weiß, an Karola Köpferl und den Chaos Computer Club Chemnitz, Carsten Möller (Scargo Design und Werbung) sowie an das Team der ‚Wilden Dreizehn‘!

Hildegard König

VERLUST& FINDEN – Texte, Poesie, Musik
am Donnerstag, 14. August 2025  in der Buchhandlung am Brühl

Der Abend war eine Einladung, um Resonanz zu entdecken, nachzusinnen, sich inspirieren zu lassen, in Austausch zu kommen und richtete sich an alle, die den Perspektivwechsel von der Verlusterfahrung zu den Kräften des Findens ausloten wollten. 

Trotz hochsommerlicher Temperaturen waren so viele Besucher der Einladung gefolgt, dass die Plätze in der Buchhandlung kaum ausreichten. Nach Begrüßung durch die Vorstandvorsitzende des Vereins erklang Musik zwischen den Texten.

Hildegard König und Cornelia Zuk lasen und rezitierten eigene und andere Texte zum Thema. 
Poesie und Prosa wurden musikalisch von dem Duo méli-mélo begleitet.

Stimmungsvolles Lauschen wechselte mit Schmunzeln, lautem Beifall und mündete ins Plaudern und Stöbern der Literatur bei einem Glas Wein am Buchregal.

Der zur Eröffnung rezitierte Text „verlust und finden“ von Cornelia Zuk ließ sich als ein Versuch vernehmen, die innere emotionale Verfassung ins Wort zu bringen, die den Übergang von der Verlusterfahrung in die Finden-Dynamik bestimmt:

mach Platz oh Trübsal / oh Trauer / unendliche Wehmut –  eine erste Zähmung des Verlustschmerzes – 

und doch atmen / und doch forsch fordernd schlierenfreie Klarheit… offen… hoffen… offen – zaghafte Schritte in ein noch unbekanntes, undefiniertes Terrain.

Das Thema VERLUST&FINDEN, das die sieben Künstlerlinnen und Kulturschaffenden Katharina Leis, Doreen Grün, Christiane Kleinhempel Dagmar Zemke, Heda Beyer, Cornelia Zuk und Hildegard König zu einem Kunstprojekt zusammenbrachte, steht hinter den Texten, die in der Buchhandlung am Brühl präsentiert wurden.

Sie sind Teil der großen Präsentation VERLUST&FINDEN – Die Ausstellung, die ab dem 13.9. in der Tuffner Möbelgalerie dargeboten und vom Verein VERLUST&FINDEN – Kunstprojekte e.V. veranstaltet wird.

In einem 2022 von Katharina Leis und Hildegard König initiierten Prozess wurde das Thema gemeinsam Schritt für Schritt entfaltet. In einzelnen Teilprojekten eröffnen die sieben Kreativen in ganz unterschiedlicher Weise Zugänge zur Dramatik des Verlusts und der Spurensuche zum Finden. Zum Startzeitpunkt wurde nicht erwartet, allenfalls intuitiv erahnt, dass mit dem Anliegen ein Thema anstand, das gesellschaftlich hoch relevant ist und in vielerlei Hinsicht die gegenwärtige Mentalität bestimmt.

Letztes Jahr kam das Buch Verlust. Ein Grundproblem der Moderne auf den Markt. Der Autor, Andreas Reckwitz, Soziologe und Kulturwissenschaftler, beschreibt und analysiert die Verlusterfahrungen heutiger Menschen in hochentwickelten Gesellschaften. In der Bewirtschaftung und Vermarktung von vielfältigen Verlustängsten – Stichwort: Es geht alles den Bach runter -, die durch Medien und politische Akteure vorangetrieben wird, sieht Reckwitz eine drängende Herausforderung, die der einzelne Mensch wie auch gesellschaftliche Gruppen nur dann bestehen können, wenn sie Strategien der Resilienz entwickeln.

Das Projekt VERLUST&FINDEN will Resilienz erfahrbar machen. Das Finden von ersten Schritten aus dem Verlust, das Finden von Auswegen aus der Sprachlosigkeit, das Finden von Halt und eigenem Standpunkt soll konkret erfahrbar und anschaulich gemacht werden. Der Dialog mit dem Publikum will die Wahrnehmung auf die je eigene, schon geleistete Arbeit des Findens lenken. Denn ein großer Faktor von Resilienz ist Selbst-bewusst-sein und: Dankbarkeit gegenüber den eigenen Fähigkeiten und der eigenen Kreativität.

Verlust ist ein Faktum. Aus ihm ins Leben, ins Zukünftige zu finden, ist Aufgabe und Abenteuer und womöglich Glück.

Eine gelungene Veranstaltung in Kooperation zwischen der Buchhandlung am Brühl und VERLUST&FINDEN – Kunstprojekte e.V. 

Hildegard König

Labyrinth-Konzert am Sonntag,
25. Mai 2025

In der Tuffner Möbelgalerie fand am Sonntag, den 25. Mai das Labyrinth-Konzert mit einem Mobile, Worten und Klängen der Ensembles crescendo und KuK statt. Eine bereichernde Veranstaltung in jeder Hinsicht!

Labyrinth und Mobile: Thematisches Präludium zu VERLUST & FINDEN

anlässlich des Labyrinthkonzerts in der Tuffner Möbelgalerie am 25.5.2025.

Alles Lebendige ist bewegt, stellten die alten Philosophen – Aristoteles und Konsorten – fest. Bewegung, ob sichtbar oder verborgen bestimmt alles, und wesentlich auch menschliches Leben.

Labyrinth und Mobile sind Symbole für die Erfahrung von Bewegung, von Bewegtheit und Bewegt-Werden.

Labyrinthe stehen für unübersichtliche Wegstrecken, für Sackgassen, für Irrwege, für zwingende Richtungswechsel, um ans Ziel zu gelangen oder einen Ausweg zu finden. Wo allerdings Mauern den Blick verstellen, wird ein Labyrinth zum klaustrophobischen Abenteuer. Das Entkommen aus dem Orientierungsverlust hängt dann am seidenen Faden, welcher in der Lebensbewegung mitläuft, und, wenn er aus der Hand fällt oder abreißt, gesucht und bestenfalls wieder gefunden und zusammengeknüpft werden muss. 

In einem ornamentalen Labyrinth, das betrachtet oder beschritten werden kann – so wie im Hof der Tuffner Möbelgalerie – artikuliert sich die Erwartung, dass die Lebensbewegung zum eigenen innersten Kern führen kann und von dort einen guten Ausgang findet.

Während das Labyrinth den Weg vorgibt und geradezu erzwingt, bildet das Mobile im Kontrast dazu einen nicht definierten Raum ab. Im Mobile geschieht Bewegung wie zufällig durch energetischen Impuls: Durch Luft oder Anstoß schwingen und pendeln die Elemente, bis sie wieder in Balance und zu einer labilen Ruhe kommen. Die Bewegungen im Mobile sind chaotisch, d.h. nicht eindeutig und nicht definierbar. Im Mobile artikuliert sich Leichtigkeit, die freilich schnell ein Ende hat, wenn die Bewegungen zu heftig werden und sich die Teile ineinander verheddern, so wie das bei unserem Mobile im Eingang des Gebäudes geschehen ist. Dann ist auch das Mobile längst nicht mehr so mobil wie geplant.

Labyrinth und Mobile können symbolisch die äußeren und inneren Zustände des Menschen darstellen: Hier der vorgegebene Lebensweg, Alltagsroutinen, gesetzte Normen und Beschränkungen. Dort die Sehnsucht nach Freiheit, nach Weite, nach Abweichung. Und beides nicht voraussetzungslos: Das eine angelegt auf dem Boden der Tatsachen, das andere abhängig von einem wie auch immer gestalteten Oben.

Labyrinthische und mobile Zustände spielen zusammen in den vielfältigen menschlichen Verlusterfahrungen und in den daraus erwachsenden Strategien des Zurückfindens ins Leben.

Labyrinth und Mobile bilden also die thematischen Vorzeichen für das Projekt VERLUST & FINDEN, welches während des Kulturhauptstadtjahres in verschiedenen Aktivitäten Ausdruck findet und in einer großen Ausstellung hier in der Tuffner Möbelgalerie von Mitte September bis Mitte November präsentiert wird.

Sieben Künstlerinnen stellen sich in je eigener Weise der tabuisierten Erfahrung von Verlusterleben und den daraus erwachsenden – allerdings wenig wahrgenommenen – Fähigkeiten einer Resilienz, die Lebenskräfte und schöpferische Energie freisetzt, um Verluste zu bewältigen und erneut Stand und Halt zu finden.

Christiane Kleinhempel, die das Mobile kreiert hat, befasst sich mit der Metamorphose zwischen Verlust und Finden. In der Arbeit SOKOGAI, einer Speicherstadt aus Zeichen, Buchstaben und Wissen, erhält Bedeutungsverlust eine Gestalt, die das Finden von Verlorenem herausfordert oder gar infrage stellt.

Cornelia Zuk macht mittels Filmsequenzen und Begegnungen in Zwischenräumen die Kraft der kleinen Kreise erlebbar. Spuren führen vom Ich zum Du und zu Resonanz und Dialog als sich einfindenden Schritten zum Frieden.

Dagmar Zemke tritt mit graphischen Arbeiten in einen spannungsreichen Austausch mit den Klang-Text Installationen der Lyrik von Hildegard König: Gedanken, Augen, Ohren verfolgen je eigene Wege des Findens, die sich treffen, kreuzen, aber auch verpassen können.

Doreen Grün rückt individuell erlebte Gefühle von Trauer und Verlust ins Zentrum ihrer Arbeiten: Wie umgehen mit Personen, die nicht sind, die nicht mehr sind? Wie umgehen mit der Leere? Spuren, Fundstücke und Gedanken fügen sich zu Skulpturen und Installationen, Fotografien und Texte treten in Kommunikation mit dem Gegenüber.

Katharina Leis nähert sich dem Thema VERLUST & FINDEN auf biographischem Weg. Die Familiengeschichte von Flucht und Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg lässt sie von „Doheim“ nach „Zuhause“ gehen und wahrnehmen, wie eine Landschaft die Menschen zurückgewinnt. Collagen aus Zeitzeugnissen und Erbstücken bilden die Brücken dazwischen.

Auch Heda Bayer macht den Verlust von Besitz und Eigentum zum Gegenstand ihrer Performance: Möbel, Bräuche, Gewohnheiten werden zu Haltepunkten an fremden Andersorten und erlauben, dass im Neuen Altes sich einrichten kann und Erinnerungen ein Zuhause finden.

Die einzelnen Präsentationen finden in der Tuffner Möbelgalerie ihren je eigenen Ort auf den verschiedenen Etagen. Besucher und Besucherinnen suchen ihren Weg zu den Objekten. Die Tuffner Möbelgalerie wird so zum Erkundungsterrain und zum Raum, in dem sich vielfältige Prozesse des Findens erleben lassen.

Hildegard König

Der Flyer

Auftaktveranstaltung am Freitag, 7. Februar 2025

Ein gut gefülltes Kino, interessiertes offenes Publikum, wundervolle Musik, einladende Performance, bewegende Gespräche – und ein Film,  der Menschen berührt, sich mit dem Thema Verlust und Finden und den eigenen Prozessen dazu auseinander zu setzen. 

Das war der Abend der Auftaktveranstaltung am 07.02.25 im Clubkino Siegmar:

Oboe Solo Stück des Chemnitzer Komponisten Thomas Stöß, Auszug aus dem Werk „Reflektionen zum Sonnengesang von Franz  von Assisi“, vorgetragen vomnvon der freischaffenden Musikpädagogin Marie Meinhold.

Poesie Performance „Verlust und Finden lost&find“ von Cornelia Zuk im Zusammenklang mit Künstlerinnen des Vereins.

Film: „Wir sind die Veränderung“ F 2022
Regie: Benjamin Best

www.veraenderung-changement-change.com/

Gesprächsrunde, moderiert von Cornelia Zuk, Prozessbegleiterin für Persönlichkeitsentwicklung und Ausstrahlung,
mit Elke Jeanrond Premauer, Begegnungs- und Filmdreh Ort Château d‘Orion, Frankreich,
mit Margarete Zuk, ehemalige Praktikantin im Château d‘Orion
und Dorothea Tuffner von der Möbelgalerie Tuffner, Chemnitz

Traditionell Yiddish Klezmer „Fun der Khupe“ vorgetragen von den Musikpädagogen Gwendolin Kyra Schmerer und Luca Berenth.

Vielen Dank an alle, die  zu einem wunderbaren Erlebnis und intensiver Begegnung im Auftakt des Projektengagements von Verlust&Finden Kunstprojekte e.V. beigetragen haben.

Zitat aus der interreligiösen Begegnung – der Film:
„Wir haben Kettfäden gespannt und werden eine neue Geschichte hineinweben. So wird ein Tuch entstehen, das die Welt neu kleiden wird“ 

Schön, dass Sie dabei waren.

verlust & finden

gestern

vergangen getrübt

schmerzlich fatal und

todesgeküsst

in Wartestarre lauschend

ein Rauschen durchdringt jäh

durchgeweht – wie von Spinnennetz durchwoben

dann brausend

die Stille

mach Platz

oh Trübsal

oh Trauer unendliche Wehmut

sanft kühl salzige Tropfen

mehr noch mehr

und doch

atmen atmen atmen atmen atmen atmen atmen atmen…

stechend pochend

Wellen durchflutender Hauch

und dann

wieder Stille

innen

ein blass farbener Strom

leichtes zittern silberfarben getränkt

durchzogen mit wachsam prickelnder Glut

aufsteigend

warmherziger Trost

fallen

fallen

lassen

blinkernde Schwebeteilchen mit Ornamenten

wie Pusteblumenschirmchen

zart

und doch

forsch fordernd

schlierenfreie Klarheit

weit weit

greifbar?

Leer

wo? wo? wo? wo? wo? wo? wo? wo?…

die Lippen geformt

nichts

und weiter

flammende Vorsicht

schaffender Raum

rund

erweiternde Quelle von tanzender Weite

mutige Signifikanz

Berührbarkeit

klopfendes poch poch poch poch poch poch poch poch…

umdrehen

nur als kurzes Intermezzo

von fragendem Sinn

ausgerichtet

ein Wurzelzweig hält

darüber

frei schwingend

taumelnd doch leichtfüßig

vibrierender Klang Klang Klang Klang Klang Klang Klang Klang…

von hoffnungsvoller Bedeutung

tief tief geerdet

aufstrebend zugleich

spiralförmige Faser wechselt mit prudrigem Flaum

auf

auf

offen offen offen offen offen offen offen offen…

hoffen hoffen hoffen hoffen hoffen hoffen hoffen hoffen…

offen offen offen offen offen offen offen offen…

Worte pulsierender Hall

lost and find

Cornelia Zuk

Verlust und Finden


Verlust birgt meist den Schmerz mit tiefem Empfinden, 

kontrolliert was Gewesen und Vergangen, 

kein Bedauern, von sich aus, es je zu begründen 

und die Suche nach dem was wir plötzlich ersehnen, 

hinterlässt auf Seiten was war ein gelangweiltes Gähnen. 

Nicht schüchtern sich dem Verlust unterwerfen, gar gekrümmt wo der Blick seine Sicht verliert, 

es ist nicht das Vermisste welches uns beherrscht, 

meist nur das eigene Ich, was den Verlust nicht toleriert. 

Der Empfindung neue Bedeutung geben, 

den Ort verlassen, welcher von Gedanken verwaist, 

mit gutem Gewissen zurück in Welt und Leben, 

was im Kleinen gedeiht und das Große verheißt. 

Das Glas halb voll, das Glas halb leer, 

ich trinke vom köstlichen Trank

der Gewissheit, 

auch wenn es mich kostet an Zeit und Geduld, 

zu finden das mit Wasser gefüllte Meer. 

W. Ullrich